[1899-1944]

Pavel Haas

Pavel Haas (21.061899 in Brunn, Österreich-Ungarn - 17. oder 18.10.1944 im KZ Auschwitz-Birkenau) war ein Tschechischer Komponist, Sohn des jüdischen Schuhmachers Zikmund und dessen aus Odessa stammender Frau Olga, geb. Epstein. Er wuchs mit Tschechisch als Muttersprache auf, besuchte aber auch eine deutschsprachige Grundschule in Brünn.
Noch vor einem regulären Schulabschluss wechselte er 1913 an die Musikschule der „Beseda Brněnská“ in Brünn, wo er bis 1916 bei Anna Holubová (Klavier) und Jan Kunc (Musiktheorie) unterrichtet wurde.
In dieser Zeit entstanden auch seine ersten Kompositionen.
1917 wurde er als Soldat zur k.u.k. Armee eingezogen und konnte seine Ausbildung erst 1919 am vom Leoš Janáček neu gegründeten Brünner Konservatorium bei Kunc und Vilém Petrželka (Klavier, Harmonielehre, Musiktheorie) fortsetzen. Von 1920 bis 1922 studierte er Komposition in der Meisterklasse von Leoš Janáček am Konservatorium, als dessen bedeutendster Schüler er gilt.

Haas arbeitete zunächst im Schuhgeschäft seines Vaters sowie kurze Zeit als Opernkorrepetitor in Brünn und Saarbrücken. Sein Bruder Hugo war am Beginn seiner erfolgreichen Karriere als Schauspieler und verschaffte Pavel Haas den Zugang zum Brünner Theater, für das er in den 1920er Jahren einige Bühnenmusiken komponierte. In den 1930er Jahren schuf Haas dann Musik für Filme, in denen sein Bruder mitwirkte. Nach Janáčeks Tod wurde Haas 1929 Nachfolger als Vorsitzender des Mährischen Komponistenverbands.

Ab 1935 war er Privatlehrer für Musiktheorie und schließlich Musiklehrer an der Hochschule in Brünn und freischaffender Komponist. Er komponierte Auftragswerke für renommierte Ensembles wie das Mährische Streichquartett und das Mährische Bläserquintett sowie für den Rundfunk. Von seinen insgesamt mehr als fünfzig Werken gab Haas aber nur 18 Werken eine Opuszahl.

Am 17. Oktober 1935 hatte er die Ärztin Soňa Jakobson, die frühere Frau des Linguisten Roman Jakobson, geheiratet und 1937 wurde die Tochter des Ehepaares geboren.
Am 2. April 1938 wurde Haas’ dreiaktige Oper Šarlatán (Der Scharlatan), dessen Libretto der Komponist nach dem Roman „Wunder-Doktor Johann Andreas Eisenbart“ von Josef Winckler selbst verfasst hatte, im Alten Theater am Wall in Brünn mit großem Erfolg uraufgeführt. Regie führte Rudolf Walter in der Ausstattung von František Muzika; Dirigent war Quido Arnoldi (1896–1958). Dieser Premiere folgten im Frühjahr 1938 noch fünf weitere Aufführungen, nach dem Münchner Abkommen musste sie jedoch vom Spielplan abgesetzt werden.
Am 28. Januar 1939 wurden im Rundfunk noch mehrere Volkslieder von Haas aus dem Zyklus „Od večera do rána“ (Vom Abend bis zum Morgen) aufgeführt.

Am 15. März 1939 marschierten deutsche Truppen in die Tschechoslowakei ein und Hitler erklärte das annektierte Land zum Protektorat Böhmen und Mähren. Bald darauf wurde Haas’ Musik wegen seiner jüdischen Abstammung verboten und sowohl ihm, der auch als Musikjournalist für die Zeitung Národní noviny tätig war, als auch seiner nichtjüdischen Frau, die als Ärztin gearbeitet hatte, jegliche Erwerbstätigkeit untersagt. Seinem Bruder, dem Schauspieler Hugo Haas, und dessen Frau gelang 1939 die Flucht über Frankreich in die USA, er ließ jedoch den gemeinsamen, kurz zuvor geborenen Sohn, bei Haas und seiner Frau zurück, der als deren Sohn registriert wurde.  Am 13. April 1940 wurde Pavel Haas von seiner Frau geschieden, um ihr Leben und das ihrer gemeinsamen Tochter vor weiterer Verfolgung zu schützen. Daraufhin konnte seine Frau wieder als Ärztin arbeiten, um den Lebensunterhalt der Familie sicherzustellen.

Am 2. Dezember 1941 wurde Pavel Haas mit Transport G-731 in das KZ Theresienstadt deportiert, wo er später mit anderen Komponisten und Musikern wie Hans Krása oder Victor Ullmann zusammentraf. Als er seine anfänglichen Depressionen überwunden hatte, fügte er sich in das reichhaltige Musikleben des Lagers ein, und komponierte für die Theresienstädter Künstler und Laienchöre. Ermuntert dazu wurde er u.a. durch Gideon Klein. Seine erste im Lager erstellte Komposition war Al S'fod, ein Chorwerk für vier Männerstimmen nach einem Gedicht des jüdisch-russischen Schriftstellers David Shimoni. Von seinen mindestens acht Kompositionen aus dieser Zeit haben sich nur drei erhalten: die Studie für Streichorchester, die Vier Lieder nach Worten chinesischer Poesie und Al S'fod.

Nachdem die Nationalsozialisten kulturelle Aktivitäten im Lager Theresienstadt zuerst nur geduldet hatten, gingen sie Anfang 1942 dazu über, Künstler vom allgemeinen Arbeitsdienst zu befreien, damit sie ihrer Berufung weiterhin folgen konnten. Auf diese Weise sollten sie dem Lager zu kulturellem Glanz verhelfen. Dahinter steckte die Absicht, Theresienstadt zum Vorzeigeghetto zu machen, um es propagandistisch als „Gegenbeweis“ angesichts umlaufender Gerüchte vom Massenmord an den Juden benutzen zu können. Das erste Werk von Haas, das im Lager aufgeführt wurde war Vier Lieder auf Worte der chinesischen Poesie am 22. Juni 1944. Am 23. Juni 1944 wurde das Lager vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) besichtigt. Anlässlich dieses Besuches im Vorzeigeghetto wurde Haas’ Studie für Streichorchester von Karel Ančerl uraufgeführt.  Der Dirigent konnte das Notenmaterial für die Streicher retten, aus dem er später die Partitur rekonstruierte. Danach entstand Kurt Gerrons Film Theresienstadt, in dem auch Pavel Haas kurz zu sehen ist. Nach Abschluss dieser Propagandaaktionen verfügten die Nazis im Oktober 1944 die Einstellung aller künstlerischen Aktivitäten und deportierten am 16. Oktober viele Künstler, darunter auch Haas und seinen Freund, den Pianisten Bernhard Kaff, in das Vernichtungslager Auschwitz, wo er an einem der darauffolgenden Tage ermordet wurde.

Seine Musik geriet zunächst in Vergessenheit. Erst etwa ein halbes Jahrhundert später setzte ihre Wiederentdeckung ein.  Sein musikalischer Nachlass befindet sich in der Musikabteilung des Mährischen Landesmuseums in seinem Geburtsort Brünn.

wikipedia / WH